Kollektive Rituale fallen diesmal aus

Beitrag von Selim Karatekin in der Ausgabe 1 – Mai 2020 der Zeitung „Weitblick“

Die Corona-Pandemie beschäftigt auch uns als muslimische Community. Als anfangs März eine Bewilligungspflicht für Veranstaltungen mit über 200 Personen beschlossen wurde, analysierten wir im Vorstand der Basler Muslim Kommission (BMK) die Auswirkungen auf die Moscheen.

Wir Muslime treffen uns jede Woche zum Freitagsgebet in der Moschee. Die Grundvoraussetzung für das Freitagsgebet ist die physische Zusammenkunft der Gläubigen in einer Moschee. Es stellte sich daher die Frage, ob Freitagsgebete unter Einhaltung der damaligen BAG-Bestimmungen abgehalten werden können.

Wir führten einen intensiven Austausch mit unseren Moscheevereinen, mit Theologen und medizinischen Fachpersonen. Es galt, zwischen religiösen Pflichten und medizinischen Notwendigkeiten abzuwägen. Als das Ausmass der Pandemie klar wurde, kamen wir früh zum Schluss, dass das Freitagsgebet nicht stattfinden kann.

Das Freitagsgebet ist eine im Koran verankerte religiöse Verpflichtung. Zur Wahrung der Sicherheit und Gesundheit der Menschen kann aber aus islamischer Sicht die Aufhebung dieser Pflicht gerechtfertigt sein. Zwei Wochen bevor das Versammlungsverbot ausgerufen wurde, beschlossen die Basler Moscheevereine, die Pflicht für das Freitagsgebet aufzuheben und die Moscheen jeweils am Freitag zu schliessen.

Die Verantwortlichen der Moscheen fühlen sich als Bürger dieses Landes mitverantwortlich, die Ausbreitung des Coronavirus vorzubeugen. Sie setzten sich in ihren Organisationen für eine breite Akzeptanz der durch den Bund getroffenen Sicherheitsmassnahmen und für eine strikte Einhaltung ein.

Nach der Ausrufung des Notstandes Mitte März beschlossen die Moscheevereine, ihre Räumlichkeiten gänzlich zu schliessen. Diese Massnahme hat einen erheblichen Einfluss auf das religiöse Leben der Muslime. Auch für Moscheevereine hat die Schliessung zum Teil existenzielle Konsequenzen, weil Einnahmen in Form von Spenden weitgehend ausbleiben.

In der BMK ist uns aber bewusst, dass diese Massnahmen nötig sind. Wir wollen das Beste aus der Situation machen. Die islamischen Organisationen bemühen sich, auf kreativen Wegen den Bedürfnissen ihrer Gemeinden nachzukommen. Die Risikopersonen in den Gemeinden werden regelmässig telefonisch kontaktiert und betreut. Für Hilfsbedürftige werden Einkäufe erledigt. Eltern, die Schwierigkeiten mit dem Home-Schooling haben, wird Unterstützung angeboten.

Das kollektive Fastenbrechen nach Sonnenuntergang kann im diesjährigen Ramadan nicht stattfinden. Um den Gedanken der Fürsorge weiterleben zu lassen, wird dennoch gekocht und ein Abendessen für Armutsbetroffene zum Abholen bereitgestellt.

Derzeit fallen viele kollektive Rituale aus. Auf der anderen Seite haben wir die Chance, unsere individuelle Spiritualität zu stärken. Viele werden sich an diesem Ramadan stark auf ihre Familie fokussieren. Das meiste, was normalerweise in der Moschee stattfindet, geschieht nun zu Hause. Es wird eine neue spezielle Familienatmosphäre erwartet.

Wir bitten unseren Schöpfer, dass wir alle gemeinsam diese schwierige Zeit bald überwinden und zur Normalität zurückkehren können. Bis dahin heisst es: geduldig sein und sich an die Massnahmen des Bundes halten.

Selim Karatekin, Präsident der Basler Muslim Kommission

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